Im Memoriam

Friedrich Greil (1902-2003) - die deutsche Stimme von Radio Tokyo und Radio Japan

„Am 3. Januar 2003 ist Friedrich Greil friedlich für immer eingeschlafen. Er war sich ‚seines Abgangs‘ bewusst gewesen. In den Tagen zuvor hat er mehrmals gesagt, dass es nun genüge und hat sich bei allen um ihn herum immer wieder für ihre Pflege, Mühe und Hilfsbereitschaft bedankt. Am kommenden Sonntag [Jan 12] wird das Japanorama ihm gewidmet sein. Ein vollendetes Leben, welch ein Glück für ihn. Liebe Grüsse, Uta Kodaira, NHK World Radio deutscher Dienst." (Thomas Kubaczewski 8.1.2003)


Die deutsche Stimme von Radio Tokyo.

Halberstädter Friedrich Greil feierte in Japan seinen 100. Geburtstag
von Walter Grube

1902 als Sohn eines Reichsbahnbeamten geboren, zog er mit seiner Familie nach Quedlinburg, weil der Vater an der dortigen Bank seinen Dienst aufnahm. Der Junge entdeckte, kaum dass er das Alphabet gelernt hatte, sehr früh seine Liebe zu Büchern, die sein Leben lang nicht nachließ. Als Zehnjähriger kannte er bereits alle Buchhandlungen und auch die Leihbibliothek Gebecke in Halberstadts Nachbarstadt. Als 13jähriger hatte er nicht nur Karl Mays gesamte Werke gelesen, sondern auch das 20bändige wissenschaftliche Werk "König der Germanen" des damals beliebten schriftstellernden Historikers Fritz Dahn. Schon bald widmete er sich den Klassikern, las Goethe und Schillers Werke mit Begeisterung.

Nach der Mittelschule nahm Friedrich Greil erst Unterricht an der Quedlinburger Handelsschule, dann nahm er eine Stellung bei Beck & Co. an. In seiner Freizeit besuchte er viele Theatervorstellungen in Berlin. Außerdem erlernte er nebenbei Sprechtechnik beim berühmten Mentor Ferdinand Gregori. Weiterhin nahm er Verbindungen zur Kunstakademie und Kunstgewerbeschule in Dresden auf, versuchte sich in Ölmalerei und Grafik, wandte sich dann letzterer ganz zu und schuf vor allem Bildnisse bekannter Persönlichkeiten. Weitere Theaterbesuche brachten dem jungen Mann Verbindungen mit Schauspielern und Autoren wie Alfred Bassermann, dem erfolgreichen Bühnenbildner dieser Zeit, sowie zu den Dichtern Wilhelm von Scholz und Klabund.

1925 und 1926 unternahm Greil Reisen durch zahlreiche europäische Länder und beschäftigte sich mit deren Kunst, Kultur und Architektur. 1927 blieb er in Quedlinburg und betrieb literarische Studien. Zu dieser Zeit wurde er zu einem Besuch Japans angeregt und wandte sich an das Deutsch-Japanische Kulturinstitut. Er bekam ein Empfehlungsschreiben, mit dem er sich ins ferne Asien begab. Dort begann für ihn, der eigentlich nur für "ein paar Monate" in das asiatische Inselreich wollte, um dort Literatur und Kunst zu studieren, ein neuer Lebensabschnitt, von dem er damals nicht ahnen konnte, dass er viel mehr als ein halbes Jahrhundert andauern würde. Seit er im Oktober 1928 im Hafen von Shiminoseki in Süd-Japan das Land betreten hat, ist er dort geblieben. Friedrich Greil arbeitete fortan als Lehrer für deutsche Sprache an der medizinischen Hochschule Tokio. Dort lernte er die Studentin Masako Sasaki kennen, die mit dem Kaiserhaus verwandt ist und später Ärztin wurde. Er heiratete sie.

Mit seinem Freund Hideichiro Yamakawa gründete Friedrich Greil 1937 die erste deutsche Abteilung der japanischen Rundfunkgesellschaft Radio Japan - NHK World. Am ersten Juni 1935 hatte Radio Tokyo mit einer Sendezeit von einer Stunde täglich den Überseedienst nach Nordamerika und Hawaii in Englisch und Japanisch aufgenommen. Nach Probesendungen im April und Mai wurden um den 20. Juni 1937 Sendungen in deutscher Sprache dreimal wöchentlich und noch im gleichen Jahr täglich ausgestrahlt. Greil war von der Stunde Null an dabei und wurde einer der bekanntesten deutschen Kurzwellensprecher der Welt. Seine deutsch gesprochenen Nachrichten konnten über das Kurzwellenprogramm auch in Europa empfangen werden.

Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg im August 1945 verstummte der Auslandsrundfunk. Friedrich Greil verlas auf Verlangen der Amerikaner die japanische Kapitulationserklärung bei Radio Tokyo auch in deutscher Sprache. Im Februar 1952 wurde der Auslandsdienst unter dem Namen Radio Japan wieder aufgenommen. Regelmäßige deutschsprachige Sendungen begannen zwei Jahre später. Anfangs bestanden sie aus einer bunten Mischung fernöstlicher Exotik mit Hochtechnologieinformationen garniert. Es war für die Kurzwellenhörer eine echte [technische] Herausforderung, die Stimme aus Japan zu hören. Seit der ersten Sendung bis in die 80er Jahre war Professor Greil Ansager und Moderator des "Tokyo Scherzo", ein Kaleidoskop aus dem Alltag in Japan. Es wurde mehr als tausend Mal gesendet.

Und als er 1993 aus dem Dienst vom Radio ausschied, blieb Greil, weiter in Japan lebend, der Hörerschaft und der Redaktion freundschaftlich verbunden. Prof. Greil schrieb auch eine 50teilige Sendereihe "Deutschland und Japan" und verfasste das Buch "Die Begegnung - 25 Jahre Deutschland und 50 Jahre Japan", seine biografischen Memoiren. Von ihm stammen auch die Bücher "Bildnisse 1928" mit eigenen Grafiken sowie "Traum und Wirklichkeit" mit Aufsätzen japanischer Studenten. Er hatte von 1950 bis 1978 einen Lehrstuhl an der Hitotsubashi- und an der Chiba-Universität. Für seine Verdienste bekam der gebürtige Halberstädter im Kaiserpalast von Kaiser Hirohito mehrere Orden und Ehrenzeichen. Ende der 80er Jahre wurde ihm vom damaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker das Bundesverdienstkreuz überreicht.

Mehrmals besuchte Greil Europa, wo er Vorträge hielt. Er pflegte engen Kontakt nach Deutschland, ließ sich von seiner Schwester in Bremen über das Geschehen in Deutschland informieren, insbesondere Neuigkeiten aus seiner Geburtsstadt Halberstadt und aus Quedlinburg.

Am 8. Dezember 2002 feierte Prof. Greil im fernen Japan seinen 100. Geburtstag. Am 3. Januar 2003 ist Prof. Greil in Japan verstorben.

Walter Grube (via Walter Eibl und Wolfgang Büschel)


Im Mai/Juni 1970 besuchte Gerhard März, damals Klubleiter des KWRS, im Rahmen einer Rundreise durch Japan die deutsche Redaktion von Radio Japan. Das war damals der erste Besuch eines regelmäßigen NHK-Hörers aus Deutschland. Gerhard konnte an der Seite von Friedrich Greil an einer Sendung des deutschen Dienstes von Radio Japan teilnehmen.