Besuch bei der IBB in Ismaning

aus ntt 3/99


Am 13. Juni 1999 ermöglichte das amerikanische International Broadcasting Bureau kurzfristig den Besuch seines Stützpunktes in München-Ismaning.

Insgesamt etwa 25 Personen ließen sich von Rüdiger Schott und Peter Stefke in die Struktur der US-amerikanischen Auslandsdienste und die technischen Abläufe am Stützpunkt einweihen.

Das International Broadcasting Bureau fasst seit einigen Jahren die technische Seite der amerikanischen Auslandsdienste zusammen. In Ismaning werden nicht nur Mittelwellensendungen für Voice of America und Radio Free Europe/Radio Liberty ausgestrahlt, sondern auch viele IBB-Aktivitäten weltweit betreut.

Gleich nach dem Weltkrieg hatten die US-Amerikaner das frühere Reichspost-gelände und damit die Großsendeanlage im Ismaninger Moos übernommen. In den folgenden Jahren wurde das Gelände immer weiter an Radio München, das American Forces Network und den Bayerischem Rundfunk übergeben und ein Teil des Geländes zurückgemietet. Die alte Kurzwellenanlage mit Röhrensendern und rhombischen Antennen wurde schon vor geraumer Weile aufgegeben. Obwohl von den terrestrischen Wellen nur noch die Mittelwelle 1197 kHz übrig geblieben ist, verbirgt sich hinter Ismaning eine weltweit operierende Schaltstelle des International

Broadcasting Bureau. Hinter dem alten Mittelwellengebäude und vom Eingang des Geländes kaum zu sehen finden sich 24 Satellitenschüsseln bis zu 13 m Durch-messer, mit denen das International Broadcasting Bureau weltweit Hörfunk- und Fernsehprogramme verteilt und empfängt. Rüdiger Schott nannte die Zahl von 600 Abnehmern, denen, je nach technischer Ausstattung, auch die Downlinks zur Ver-fügung gestellt werden. Da die Automatisierung bei den IBB-Relaisstationen weit fortgeschritten ist, können selbst Sendeanlagen wie Tinian (Nördliche Marianen) aus Ismaning ferngesteuert werden. 14 Techniker betreuen im Schichtdienst den Betrieb, stehen aber auch für Einsätze im interkontinentalen Ausland auf Abruf. Natürlich werden aus Ismaning auch die anderen deutschen IBB-Standorte Holzkirchen, Biblis und Lampertheim betreut.

Heute nutzen die amerikanischen Auslandsdienste in Ismaning terrestrisch nur noch die Mittelwelle 1197 kHz. Seit 1995 steht dafür ein Sender Thomcast TM-2300-S7 (Baujahr 1994, volltransistorisiert, luftgekühlt) zur Verfügung. Als man sich nach einem neuen Sender umschaute, war Thomcast der einzige Anbieter in dieser Leistungsklasse. Zuvor hatte man in Ismaning zwei 150-kW-Röhrensender von RCA stehen. Bei einer Leistungsaufnahme von 450 kW statt 1,2 MW amortisiert sich der Sender binnen weniger Jahre durch die Stromkostenersparnis. Andererseits gibt es Probleme mit französischen Handbüchern und einem gewissen französischen Laisser-faire. Peter Steffke, so sein Chef, sei inzwischen "besser als Thomcast".

Die viermastige Mittelwellenantenne (120 m-Türme, Vorzugsrichtungen 60, 115, und 240 Grad, oder Rundstrahlung über einen einzelnen Mast) wurde vor fünf Jahren über- holt, reicht aber im Prinzip bis in die Nachkriegszeit zurück, als man 1949 einen 150-kW-Mittelwellensender für 1196 kHz in Betrieb nahm. Das Gelände wurde in Zehn-Jahres-Verträgen gepachtet, der Vertrag 1972 dann auf Dauer abgeschlossen.

Seit der Einführung des neuen Mittelwellenbandplans 1978 sendet Ismaning auf 1197 kHz. Die Mittelwelle war beim Sendebeginn von VoA- Europe 1985 eine der wichtigsten Frequenzen des neuartigen Programms und machte bis 1995 das Programm auch in Deutschland hörbar. Das musikorientierte 24-Stunden-Programm für Westeuropa bedeutete seinerzeit eine Revolution im Auslandsfunk. Die amerikanische Sichtweise war damals immer noch durch die Nachrichten, durch Magazinbeiträge und durch den regierungsamtlichen Kommentar präsent. Aufgrund des Balkankonflikts haben Radio Free Europe und die Voice of America in den letzten Jahren ihre Sendungen für den Balkan stark ausgeweitet, so dass die Mittelwelle Ismaning derzeit rund um die Uhr läuft. Aufgrund der bekannten Probleme am alten RFE-Standort Holzkirchen, wo ein Umbau der Antennenanlage am Widerstand der Bevölkerung scheitert, sind viele RFE-Sendestunden jetzt beim alten VoA-Standort. Die Zusammenlegung der Sendertechnik aller US-amerikanischen Auslandsdienste in eine Organisation ermöglicht hier die nötige Flexibilität.

Das Tagesprogramm wird derzeit von VoA News Now bestritten und ist mit 150 kW mindestens in einem 100 km-Umkreis gut zu hören. Auf die Frage, man brauche in Bayern kein weiteres B5-aktuell-Format, doch VoA Music Mix wäre bestimmt eine Alternative, verwies Rüdiger Schott auf Washingtoner Direktiven. Falls man dort anders entscheide, werde man auch das neue Musikprogramm der VoA auf den Sender geben können.

(Dr. Hansjörg Biener, gegengelesen von Wolfgang Büschel)